Die ernsthafte Suche nach dem Heiteren

Foto: Christine Jörss-Munzlinger

– aus der Eröffnungsrede von Christine Jörss-Munzlinger –
Der MV-Foto versteht sich als eine Gruppe, die professionelle Fotografen und ambitionierte Amateurfotografen mit dem Ziel vereint, gute Fotografie zu machen. Wir experimentieren und tauschen fotografische Neuigkeiten, aber auch alte fotografische Weisheiten aus. In einer eigenen Fotogalerie in Schwerin zeigen wir unsere Werke.

Keine Bilderflut, weil wir uns sozusagen auf unser Herz und unsere Seele konzentriert haben. So hat jeder von uns sein fotografisches Thema ausgestellt, für das er brennt.

Iris Brüdgam, die Galerieleiterin, hat eine kluge Auswahl getroffen, denn Sie können ganz sicher sein, jeder von uns hätte noch viel, viel mehr zu bieten. In einem Kalauer heißt es: Kunst kommt von Können und nicht von Wollen. Das Können der Fotografinnen und Fotografen wird in dieser Woll-Halle bestens zur Wirkung gebracht.

Die drei Augen, Fotografen haben ja noch das Hilfsauge Objektiv, benötigen dabei unbedingt eine Ausbildung des Sehens. So was wie eine Regelstudienzeit gibt es für die Ausbildung des Sehens nicht.

Die Fotografien, die hier so schön an der Wand hängen, sind also die Quintessenz aus, ich nenne es bewusst Herzenswollen, technischem Wissen, viel Sinn für Gestaltung und diesem außergewöhnlichem Ausstellungsort.

Zu allen, alphabetisch der Reihe nach, möchte ich kurz etwas sagen:

Falko Baatz „Künstlerporträts“
Falko Baatz hat ein Buch mit mehr als 130 Künstlerporträts geschaffen. Vier wurden ausgewählt, der Bildhauer Jo Jastram, der Maler Lars Lehmann aus Güstrow, der Bildhauer und  Zeichner Peter Lewndowski aus Ganschow und  Henning Spitzer, Bildhauer und Grafiker aus Rostock.  Interessant ist auch die Präsentation, nämlich neben dem Foto vom jeweiligen Künstler auch ein Werk des Künstlers zu stellen, das wiederum den Fotografen zeigt. Der Fotograf war nun seinerseits Model.  Insgesamt: eine Mammut-Aufgabe und wirklich gut gemacht.

Anke Berger „Handwerker im Porträt“
Anke Berger ist Fotografenmeisterin. Sie wählt für diese Ausstellung ein Thema aus, das Hand und Fuß – und Köpfchen hat. Es sind besondere Handwerkstechniken zu sehen. Die Menschen, die diese seltenen Gewerke ausüben, kommen aus der Schweriner Gegend. Diese Bildserie ist wichtig für die Bewahrung der Tradition. Wie oft konnte nur an alten Fotografien herausgefunden werden, wie im Detail gearbeitet wurde. Der berühmte Fotograf August Sander ist da ein Beispiel. Für Anke Berger zählen außerdem Einfühlungsvermögen, Qualität der Technik und moderne Gestaltungsmittel.

Benjamin Brocks „Analoge Porträts mit Seele“
Benjamin Brocks aus Güstrow fotografiert analog, weil diese Technik sein Weg ist. Die Schwarz-Weiß-Porträts werden auf Silberhalogenid-Film fotografiert. Die Vergrößerungen entwickelt er selbst im eigenen SW-Labor. Um Vergrößerungen herzustellen ist auch der digitale Weg möglich. Diese Porträts von jungen Frauen ziehen uns in ihren Bann. Er ist Meister im Erzeugen eines eigenen durchgängigen Ausdruckes im Bild. Mit wenig Schatten, mit Unschärfe und ausgeklügelten Entwicklungstechniken erhalten sie eine ausgeglichene Atmosphäre.

Christine Jörss-Munzlinger „Linien Zeichen Wesen“
Ich suche das Wesen und finde Linien und Zeichen in unserer Kulturlandschaft. Die Ahnung von Schönheit und  Verlorenheit, die Ahnung, dass Vollkommenheit nicht möglich ist, trifft mich tief. Ich weiß um die Verletzbarkeit und mache doch heitere Bilder. Es sind Fotografien, die auf Dibond, also Aluplatten, aufgezogen sind.

Anne Jüngling „Im Land der Tiere“
Anne Jüngling aus Schwerin fotografiert  im „Land der Tiere“ – frisch und  leidenschaftlich. Dieses Land gibt es hier wirklich, in Vellahn in der Nähe von Hagenow. Wichtig ist zu wissen, dass es vorher Bunker waren – Bunker, in die die Tiere einziehen durften. Sie entkamen einer unwürdigen Tierhaltung und fanden enthusiastische Menschen, die für sie sorgen. Anne fotografiert hier, um zu erzählen, um zu berichten von Dingen, die sonst keiner weiß und von positiven Veränderungen. Anne ist im Vorstand von MV-Foto und begeisterte Porträtfotografin.

Manfred Klement „Reisetagebuch Luxor-Assuan“
Manfred Klement fotografiert Bilder, die staunend machen: Tausend und eine Nacht – nein, die Gassen in Ägypten.  Touristenwege interessieren ihn nicht. Er ist ein Fotograf, der nah heran geht, obwohl sein Ort des Geschehens am weitesten weg ist. Und es treibt ihn immer wieder dorthin. Die Menschen, die er trifft fotografiert er auf besondere Weise. Irgendwie schafft er es, ein Vertrauen aufzubauen, dass die Versunkenheit der Menschen in ihre Arbeit nicht durch die Kamera gestört wird. Wir spüren förmlich das Leben dort. Gesteigert wird die Ausstrahlung noch durch die samtene Haptik der Oberfläche des besonderen Print-Papieres.

Manuela Koska „Mensch und Kunst“
Manuela Koska Fotografien sind sehr bekannt geworden. Sie hat den Rabbi Wolf, den ehemaligen Landesrabbiner, fotografisch begleitet. Das bedeutet jahrelang an einem Thema zu arbeiten. Ihre Bilder sind lebendig – zeigen, was ist. Das gewisse Etwas machen ihre Bilder interessant. Hier sind genau solche Porträtfotos von zwei Künstlern zu sehen: von John Carlson, ein begnadeter Musiker und die Balletttänzerin Kellymarie Sullivan: Das „Sein“ soll durch Körpersprache und durch die Darstellung offensichtlich werden. Hier liegt das Augenmerk nicht darauf, nur die Schönheit von Theater-Diven zu präsentieren, sondern ihre gleichzeitige Verletzbarkeit.

Angelika Lindenbeck „Mecklenburger Landschaft zu allen Tageszeiten“
Angelika Lindenbeck fährt mit Leidenschaft in die Mecklenburger Landschaft. Sie ist eine von den fotografischen Frühaufsteherinnen! Sie fotografiert Bilder, die auf ihren Wunsch nach Schönheit, Drama, Freude und Ergriffenheit antworten. Die Mischung von Nebellandschaften, den typischen Vertretern von romantischen Bildern, und den abstrakten Fotografien ist trefflich gelungen. Da möchte man sein – und wir in Mecklenburg  – brauchen dazu eigentlich nur vor die Tür gehen.

Renate Reinbothe „Tierbegegnungen im Sternberger Seenland“
Renate Reinbothe macht kleine oder scheue Insekten, Vögel und Kriechtiere für uns mit viel Geduld und Wissen sichtbar. Vormals Biologielehrerin hat sie nun den Vorteil, diese Tierchen auch schon auf der schwierigen Suche nach Ihnen auseinander zu halten. Die Freude an der Begegnung mit den Tieren ist den Fotos anzumerken.

Aline Runge „Sucht – addicted“
Aline Runges Bilder der Fotoserie „Sucht“ erzählen davon, dass die verschiedensten Süchte für viele Menschen ein Weg zu Heiterkeit sind, aber nicht unbedingt darin enden. Aline hat den Weg der Inszenierung von Situationen beschritten, um ihre Idee in einer ganzen Serie umsetzten zu können. Es ist ein Thema, von dem wenig zu sehen ist, weil so viel im verborgenem passiert. Das wird noch unterstützt durch ein Arbeiten in Schwarz-Weiß.

Klaus Schimmagk „Wahl-Cirkus“
Klaus Schimmagk beobachtet mit der Kamera soziales – und politisches Verhalten im Land. Zielsicher, doch beiläufig wirkend, trifft er den Lebensnerv unserer Zeit. Wir sehen in dieser Ausstellung Wahlplakate zur Bundestagswahl 2013, die in einer abstrusen Kombination in der Stadt hängen. Klaus Schimmagk ist im Vorstand des Vereins und war lange Jahre Reporter einer Zeitung. Nun braucht er gar nichts mehr schreiben, seine Fotos sprechen laut genug.

Uwe Seemann „Prora – Seebad der 20.000 – Traum eines Architekten“
Uwe Seemann, unserer Lokalmatador aus Güstrow und ewig im Verein, hat MV-Foto immer als fotografische Leistungsgruppe verstanden und entsprechend liefert er Qualität. Am Eingang ist ein Video zu sehen. Uwe Seemann fotografierte im Kdf-Seebad Prora von 1999 bis 2016. Der Traum des Architekten Clemens Klotz überdauerte als Bauruine und Militärobjekt zwei Diktaturen und erwacht erst jetzt zum geplanten Leben. So ein Langzeitprojekt ist eine Königsdisziplin in der Fotografie.


Sehenswert sind auch unsere Selbstporträts auf den kleinen Schildern mit der Vita. Immer wieder sieht man die Augen, die neugierig auf das Leben schauen. Manchmal ist die Suche nach Erkenntnis und Heiterkeit erfolgreich.

Ich bedanke mich im Namen des MV-Foto bei der Stadt Güstrow für die sehr schöne Ausstellungsmöglichkeit und die künstlerische Betreuung von der Galerieleiterin, Frau Brüdgam.


Besuchen Sie ab dem 02. Oktober 2016 unsere neue Ausstellung:

Städtische Galerie Wollhalle Güstrow
Franz-Parr-Platz 9

Die Ausstellung ist bis zum 15. Januar 2017 täglich von 11-17 Uhr geöffnet.

Einladung Güstrow


Impressionen:

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